Donnerstag, 30. Mai 2013

Hängende Gärten

Warum bitteschön sollte man auf der Terrasse Gemüse anbauen, wenn man doch einen Garten mit Bodenhaftung hat? Zum Beispiel wenn man so wie ich keiner Staude lange widerstehen kann, die im mit großen Plänen für Gemüse vorbehaltenen Beet gekeimt hat und mich mit ihren großen Kindchenschema-Keimblättern so flehend anschaut, dass ich sie doch wachsen lasse. Woanders wäre doch auch gar kein Platz für sie, denn dort wuchern bereits andere Stauden. Bald ist also alles voll mit Akeleien, Storchschnabel oder Frauenmantel, nur weil man nicht unbarmherzig zum Pflanzennachwuchs sein möchte.

Und so kommt es dann, dass nur noch die Terrasse als letzte Bastion übrig bleibt, die man noch mit Essbarem ausstatten kann. In echter Bodenhaltung können sich dagegen bestenfalls ausdauernde Genüsse behaupten, wie Wald-Erdbeeren oder Topinambur. Nur der Sitzplatz am Haus aber widersetzt sich bisher standhaft jeder ernsthaften Besiedlung durch Stauden oder Sträucher. Nicht, dass sie es nicht versuchen würden. Der Platz an der warmen Hauswand jedenfalls ist das Reich der wärmeliebenden oder wasserscheuen Vertreter unter dem Küchenpersonal: Hier stehen Tomatenpflanzen im Kübel zusammen mit Chilis, daneben wachsen Kartoffeln im Reissack. Neuerdings versuche ich mich sogar im Anbau von Zuckererbsen und Roter Beete.

Natürlich gibt es auch triftigere und weniger willensschwache Gründe für einen mobilen Gemüsegarten. Kontaminiertes städtisches Erdreich von zweifelhaften Ruf zum Beispiel, welches das Wort Mutterboden nicht verdient hat. Warum auch immer man im Bodenlosen gärtnert, es braucht so einige Tricks, um möglichst viel Köstliches unterzubringen. Um noch mehr darüber zu erfahren, habe ich das "Handbuch Bio-Balkongarten" von Andrea Heistinger und Arche Noah aus dem Ulmer-Verlag gelesen.
 

Um es gleich vorweg zu nehmen: Der Titel hält nicht, was er verspricht - im positiven Sinne. Hier geht es nicht nur um Balkone mit ein bisschen Schnittlauch im Blumenkasten. Hier geht es um das ganz Große: Das urbane Gärtnern mit allen Problemen und Fallstricken, die es so mit sich bringt - und möglichst noch mit wenig Geld.

Das Buch beschreibt die Widersacher eines jeden städtischen Gemüsefreundes, als da wären Wind, zu hohe Temperaturen inmitten von Beton, eingangs erwähnte dubiose Böden und leicht zu überfordende Statik von Balkonen und Dachterrassen. Welche Pflanzen, welche Materialien lassen sich an exponierten Standorten unterbringen? Woher bekommt man in der Stadt ohne Auto genug Blumenerde? Und wie mischt man sich selbst welche? Es gibt unglaublich viele Tipps zum Verwenden von Recycling-Materialien, sei es als Rankgerüst oder Pflanzgefäß. Die Vor- und Nachteile der Behälter werden ausführlich erläutert. Auch der Stoffkreislauf wird besprochen: Wie kompostiert man auf einem Balkon, wie sammelt man reichlich Regenwasser, und wie bewässert man seine Schätze im Urlaub?


Nachdem der erste Teil mit Theorie besprochen wurde, werden im Mittelteil urbane Gartenprojekte vorgestellt, unter anderem auch das wohl bekannteste in Deutschland: Die Prinzessinnengärten in Berlin (von dort stammen auch die Fotos hier).

Der dritte Teil ist den Pflanzen vorbehalten. Es gibt ausführliche Portraits von geeignetem Gemüse, Obst und Kräutern. Geradezu revolutionär ist die Empfehlung zum jeweiligen Lieblingspflanzgefäß einer jeden Pflanze: Fühlt sie sich im handelsüblichen Balkonkasten wohl oder braucht sie doch lieber viel Auslauf im geräumigen Hochbeet?

Immer wieder kommen die Leser zu Wort und dürfen Tipps und Erfahrungen weitergegen, die allesamt nützlich sind und von einigem Einfallsreichtum zeugen.

Wer ein oberflächliches Buch mit durchgestylten Fotos von lediglich dekorativen Balkonen und Terrassen sehen möchte, der sollte ein anderes Werk zur Hand nehmen. In diesem Buch ist nichts geschönt, aber alles praktisch und lehrreich. Was zählt, ist der Ertrag, weniger die Ästhetik. Dieser Band ist ein Muss für jeden urbanen Gemüsegärtner, ob Einsteiger oder schon fortgeschritten. Und wer schon wirklich alles weiß über das Gärtnern in Kisten, der kann seine Tipps an die Autorin weitergeben, das ist doch auch was.

16 Kommentare:

  1. Liebe Elke,

    vielen Dank für diesen interessanten Buch-Tipp. Ich habe zwar nicht die Absicht, neben meinem eigentlichen Garten noch einen Balkon-Garten zu eröffnen, aber sicher finde ich trotzdem darin etliche interessante Anregungen.

    Liebe Grüße
    Jutta

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  2. Eine wunderbare Buchbesprechung...herzlichen Dank! LG Lotta.

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  3. Ja, ich bin auch gerade auf der Suche nach schönen Balkonen, denn das Thema Gärtnern auf dem Balkon,
    ist nach wie vor sehr aktuell. Schöne Bilder vom Prinzessinnengarten! Ich war auch gerade in Berlin und an beiden Tagen zog es mich dorthin. Es ist wirklich eine super Einrichtung und für viele Leute ein tolle Möglichkeit zu Gärtnern auch ohne Garten, Im Grünen zu sitzen, mitten in der Stadt und lustige Pflanzgefäße zu entdecken.

    LG Sibylle Danke für die l
    ieben Wünsche!

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  4. Klingt wie ein Buch, das ich mir bald kaufen werde ;)
    Ich liebe diese "Küchengärten", die sich mit Eimern und Säcken, mit Tetrapacks und anderen Behältnissen so wunderbar kreativ zeigen!!!
    Vielen Dank für den Tipp!
    Lieben Gruß, Doris
    PS: bei mir stehen die Blumenkisten zT. sogar auf der Küchenfensterbank - so lässt es sich leichter Salat pflücken ;D

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  5. Hallo Elke,
    sehr interessantes Buch, danke für den Tipp!
    Ich hätte im Garten ja auch theoretisch mehr Platz für Gemüse, habe aber festgestellt, dass einige Gemüsesorten im Topf an der warmen Südwand und in lockerer Erde einfach besser wachsen. Außerdem sind Kohlrabi und Mangold dort ein klein wenig besser vor Schnecken geschützt...Rote Beete baue ich seit letztem Jahr auch im Topf an, obwohl die aber auch ganz gut im Gemüsebeet klappen.
    Die Prinzessinnengärten in Berlin finde ich total faszinierend, habe mal einen Bericht darüber im TV gesehen.

    Liebe Grüße, Bärbel

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  6. Liebe Elke,
    Ein interessanter Buchtipp!
    Ist gleich auf meiner Liste gelandet.
    Ich habe auf meinem Balkon auch zuviel
    Hitze und kaum Schatten. Und meine
    Gartenbücher sind speziell für den Garten gedacht.
    Dankeschön und ein tolles Wochenende
    wünscht dir Urte

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  7. Als Terrassengärtnerin (ich denke für mich hält das Buch, wenn ich die Fotos so betrachte, auch Tipps bereit) treibt mich vor allem eins um: Wie verhindere ich, dass Nacktschnecken über Nacht alles kurz und klein fresse? Ich hab's mal mit dem Kartoffelanbau im Topf probiert - zack, war aus dem Kartoffelgrün ein Ratzekahlgestrüpp geworden. Gibt's was anderes als Schneckengift und Bierfallen?
    Liebe Grüße Pepe

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    1. Hallo Pepe,
      ja, das Buch passt auch zum Terrassengärtnern.
      Meine Kartoffeln ziehe ich im Reissack und mit Kahlfraß hatte ich noch keine Probleme.
      Vielleicht liegt es daran, dass die Schnecken einen weiten Weg haben, bis sie zum Sack und an ihm hochgekrochen sind. Der Kaffeetrester, den ich zum Anhäufeln nehme, schreckt sie vielleicht auch ab. Außerdem treibe ich die Kartoffeln vor, dann sind sie schneller groß und wachsen den Schnecken davon.
      VG
      Elke

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  8. Hallo Elke,

    vielen Dank für den Buchtipp- für den nächsten Ausflug habe ich mir die Prinzessinengärten vorgenommen- das Gärtnern in Kisten probiere ich auch aus. Ich experimentiere mit selbstgemachte Terra preta. Mal sehen, ob es vorzeigbar wird.

    Grüße über den Gartenzaun,
    Jo

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  9. Guter Tipp, für mich als Stadtgärtnerin ohne Auto bestimmt sehr interessant.
    Es gibts schon zuviele Gartenbücher, die nur gut aussehen, aber kaum Inhalt bieten...
    Das hier scheint anders zu sein.

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  10. Klingt spannend! Hab ja selber mein Gemüse auf Balkonien untergebracht, dies aber nicht wirklich aus Platzgründen sondern um es vor den gefrässigen Schleimer zu retten :o)... und weil es der sonnigste Platz im Garten ist :o). Ehm, Sonne???? Also falls Du sie mal siehst, grüsse sie und es wäre nett, wenn sie sich auch hier mal wieder Blicken lassen könnte, bevor der Garten uns noch ganz über den Kopf wächst. Okay, ich könnte jetzt auch in Taucherbrille und Schwimmflossen rausgehen... aber mal ehrlich, das macht nicht wirklich Spass (nur für Zuschauer).
    En liebe Gruess
    Alex

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  11. Danke für den Hinweis auf das Buch. Werde ich mir mal merken, klingt sehr interessant. Mir geht es mit dem Gemüse ähnlich wie dir. Aber man muss allmählich aufpassen, dass man nicht zuviel macht und einem nicht irgendwann alles sprichtwörtlich über den Kopf wächst.
    Lieben Gruß
    Elke

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  12. Liebe Elke, das Buch ist bestimmt sehr interessant, doch ich konnte vom Topfgarten in einen normalen Garten umsatteln und finde das ganz klasse :)

    lg kathrin

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  13. Hört sich interessant an. Aber reine Gemüse-Gärtnerin werde ich sicherlich nicht mehr. Werde aber in der Bücherei einmal einen Blick hineinwerfen. Meine Schwester zieht ihre Tomaten, Paprika, Johannisbeeren & Co. aber auch auf dem Balkon und hat an der Wand auch "hängende Gärten" angebracht. Man muß sich nur zu helfen wissen ...

    Vor allem danke ich Dir sehr für Deinen Hinweis! Ich wollte auch meinen, daß das Kleeblüten sind, nur so winzig klein, das wußte ich bislang noch nicht.

    Viele liebe Grüße
    Sara

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  14. Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.

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  15. kann mich dem Lob nur anschliessen, Elke, ein selten informatives buch, das vom erfahrungsschatz der autorin und ihrer mitgärtnerInnen lebt. Ausgesprochen umfangreich die, für Tröge und Töpfe geeignete, vorgestellte arten- und sortenvielfalt.
    Für Jutta und Kathrin mag ihr "Handbuch Bio-Gemüse" interessant sein, noch umfangreichere Arten- und Sortenvielfalt, da ja nicht auf beschränkten wurzelraum rücksicht genommen werden muss.

    lg, brigitte

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