Samstag, 26. Mai 2018

Großer Irrtum und kleine Schattenstauden

Manchmal bin ich ja ein bisschen schwer von Begriff. Die riesigen Bäume mit der rötlichen, faserigen Rinde im Stanley Park in Vancouver habe ich als Arbeitstitel erstmal "Mammutbaum" genannt. Waren ja auch so schön groß, geradezu elefantös. Dann kam ein Hinweisschild an so einem Baum. "Western Red Cedar" stand darauf zu lesen. Rote Zeder, auch gut, klingt edel, wenn auch nicht mehr so gigantisch. Sieht nur nicht aus wie eine handelsübliche Zeder. Na ja. Dann schließlich stand auch mal irgendwo der lateinische Name: Thuja plicata. Ach, guck! Von wegen Zeder, von wegen Mammutbaum, ein oller Lebensbaum ist das also! Wer hätte gedacht, dass eine Thuja so beeindruckend sein kann. Sie als Heckenpflanze dicht an dicht zu setzen ist offenbar alles andere als artgerecht (wobei man dazu eher Thuja occidentalis nimmt und nicht diesen Westküstengiganten).



Vergesellschaftet ist so eine Thuja unter anderem mit Douglasie, Hemlocktanne und Weinblatt-Ahorn (Acer circinatum). Besonders die Douglasien können unglaubliche Ausmaße erreichen, wenn sie nicht gefällt werden (und das ist leider die Ausnahme).




Auf Vancouver Island dann der nächste große Irrtum. In Nanaimo am Hafen stand ein immergrüner Baum mit weißen Glöckchenblüten und großen Blättern. Wird wohl irgendwas tropisches, angepflanztes sein, dachte ich mir und habe das Thema abgehakt. Dann sah ich diesen Baum aber immer wieder am Waldrand, auch an wilden Stellen. Als dann ein Picknickplatz am Lake Cowichan ein ganzes Rudel riesiger Exemplare bereithielt, wurde ich stutzig, denn dieser Platz hieß Arbutus Park. Moment mal - Arbutus, Erdbeerbaum? Tatsächlich, es handelt sich hier um den Amerikanischen Erdbeerbaum (Arbutus menziesii). Das ist auch so ein Rekordhalter, der einzige immergrüne Laubbaum in Kanada, und auch noch der mit der größten Nord-Süd-Verbreitung in Amerika runter bis nach Mexiko. Zum Größenvergleich bin ich hier mal mit im Bild:





In jeder Hinsicht ist dieser Baum sehr exzentrisch. Obwohl immergrün, möchte er doch wie die anderen Laubbäume gern mal was loswerden, also entblättert er sich und wirft immer wieder seine Rinde ab. Zum Vorschein kommt dann eine ganz glatte, fast hautfarbene Oberfläche. Man fühlt sich also in Gegenwart mehrerer Erdbeerbäume immer wie im Nudistencamp. 




Aber was ist eigentlich am Waldboden so los unter all diesen größenwahnsinnigen Veteranen? Diesen kanadischen Zauberwald kann man schließlich zuhause schlecht nachbauen. Zum Glück gibt es in der untersten Etage Beetkombinationen für den Garten auf Schritt und Tritt - und alles so schön schattenverträglich.



Hier eine gefällige Gesellschaft aus Zwerg-Herzblume (Dicentra formosa) und Sibirschem Tellerkraut (Claytonia sibirica) - alles herzallerliebst in rosa.



Die Herzblume wird gern von Hummeln angeflogen.



Claytonia sibirica ist ein geradezu zauberhaftes Wesen, das wie Schaum auf dem Waldboden wächst. Bei näherem Hinsehen zeigen sich hübsch gezeichnete rosa Blüten:



Das Tellerkraut kuschelt auch mal gern mit der Falschen Alraunwurzel (Tellima grandiflora), die ebenfalls im Wald zu finden ist.



Hier links im Bild ist die große Schwester unseres Schattenblümchens zu sehen (Maianthemum dilatatum). Daneben wieder Claytonia sibirica:



Die schönsten Funde im Wald sind natürlich die Dreiblattlilien. Wenn man so ein Trillium entdeckt, wird die schwierigste Wanderung gleich viel entspannter. Viele Schattengärtner in Europa hätten ja auch gern diese hübschen Wesen im Garten, aber die sind so heikel wie sie teuer sind. Und auch auf Vancouver Island sind sie selten und beileibe nicht in Massen zu entdecken. Die Damen haben also schon ein paar Ansprüche.



Viiiiiiiiel einfacher ist dieses Pflänzchen, das eher mit lustigen Blättern als auffälligen Blüten punktet, es ist Achlys triphylla,  das Vanilleblatt, ein Berberitzengewächs, wobei die Verwandtschaftsverhältnisse auf den ersten Blick etwas dubios erscheinen. Das wächst wirklich an jeder Ecke und man sollte dann statt Trillium lieber diese Staude versuchen:




An dieser Himbeere mit den angeberhaft großen lila Blüten habe ich Hummeln entdeckt. Der Strauch ist nicht zu übersehen, nicht stachlig und in jeder Hinsicht todschick. Deshalb heißt sie auch Pracht-Himbeere (Rubus spectabilis). Wenn man Glück hat, flitzt ein Kolibri heran und besucht die roten Blüten. Sowas ist typisch - rote Blüten sind für Kolibris gemacht, die diese Farbe gut sehen können.



Farne passen immer dazu. Es gibt sie in diesen Wäldern in unglaublich vielen Arten. Manche sehen aus wie Lockenwickler, andere wie Elefantenrüssel.





Wie Elefantenohren dagegen wächst diese Pflanze hier an feuchten bis nassen Stellen im Wald, es ist Lysichiton americanum, der Amerikanische Stinktierkohl.





In Gärten sieht man ihn manchmal neben Hosta stehen.



Nun gilt er aber in Deutschland schon wieder als Neophyt, als stinkender sogar. Da bleibt er wohl besser mal in Kanada. Und ich vielleicht auch? Um einen Garten mit diesen tollen, hier heimischen Pflanzen anzulegen und im Schatten unter einer Thuja zu liegen?

11 Kommentare:

  1. Faszinierend, unglaublich schöne Bilder, viel Wissenswertes.....
    Und ganz viel „haben wollen“ 😍 - also alles, was ich an deinen Posts so liebe!
    Herzlichst
    yase

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  2. Erdbeerbäume haben wir mal in Portugal an der Algarve entdeckt. Im Herbst hatten sie die kleinen roten Früchte.
    Wenn ich einen Schattengarten anlegen dürfte, würde ich mir als erstes die Herzblume wünschen. Bei der Pracht-Himbeere müsste man dann leider auf den Kolibri verzichten. Herrliche Eindrücke aus dem blühenden Canadischen Zauberwald und toll, dass du die Einwanderer mal an ihren Originalschauplätzen bewundern darfst.
    Ich hoffe, die Thujaträume vergehen wieder......;-)
    LG Sigrun

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  3. hallo elke,
    ein wundervoller blick über den (diesmal sehr grossen) tellerrand.
    danke fürs mitnehmen.
    gruss hanna

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  4. Liebe Elke,
    was für eine wunderbare Entdeckungstour machst du da. Das ist schon doch eine ganz andere Pflanzenwelt und doch mit den ganzen Farnen auch wieder irgendwie vertraut. Bei den Thuja wäre ich sicher auch in die Falle getappt, die sieht man ja hier eher selten als beeindruckende Bäume. Ich glaube mit deinem Beitrag hast du ein neues Ziel auf meine Reisewunschliste gesetzt. Viel Spass wünsche ich dir noch.
    Herzliche Grüße
    Theresa

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  5. Hallo Elke,
    wunderbare Baumriesen und interessante Pflanzen im Lebensraum des Waldes hast du uns mitgebracht...die Farne mit ihren so bizarr aufgerollten Wedeln sind meine absoluten Favoriten.
    Lieben Gruß und hab eine schöne Woche, Marita

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  6. Hallo Elke,
    hätte man mich vor diesem Post gefragt was Erdbeeren und Bäume miteinander zu tun haben hätte ich geantwortet "nix". Das es jetzt sogar Erdbeerbäume gibt - erstaunlich. Und wenn man da jetzt noch die leckeren Früchte pflücken könnte...... hach!
    Liebe Grüße,
    Krümel

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  7. Danke für den interessanten und "kühlen" Artikel, liebe Elke. Oh ja, ab in den Schatten heute! Ich glaube, ich krieche bei den schwülen 33 Grad tief unter meine Riesenhosta Empress Wu. Aber da liegt evtl. schon die Katze ;-)
    liebe Grüße Corinna

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  8. wunderschöne Bilder

    das sind ja auch wirklich Riesen
    und man möchte denken dass darunter nichts wächst wie hier unter Tannen z.B.
    aber die Schattenpflänzchen sind ja allerliebst
    die würden mir auch gefallen

    liebe Grüße
    Rosi

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  9. Liebe Elke, vielen Dank für's Mitnehmen auf diese Reise. Als wir vor einigen Jahren in der Maremma unterwegs waren, war ich auch fasziniert von den riesigen Bäumen, die dort anzutreffen waren. Der Waldboden sah natürlich etwas anders aus, aber das ist klimatisch bedingt. Es ist immer wieder faszinierend, wie viel Leben sich auch im Schatten verbirgt.

    LG Kathrin

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  10. Schatten! Her damit! Bei "kühlen" 31°C vergeht mir das Gärtnern. Umso schöner ist es, hier mit Dir durch den herrlichen Wald zu wandern. So in groß sehen Thuja ja richtig gut aus. Die Varianten hier in good old Germany sind ja eher nicht mein Ding.
    Und Stinktierkohl? Kaum zu glauben, was es alles gibt. Danke für den Reisebericht, er ist wieder die Wucht.
    Herzliche Grüße über den morschen Gartenzaun
    Jo

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  11. Was für eine Flora!
    Und was es alles gibt!
    Von Erdbeerbäumen hab ich noch nie gehört :-)
    Ganz viele liebe Grüße von Urte

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