Samstag, 7. August 2021

Bittersüß

Ein altbekanntes Gärtnergesetz besagt: Wer Rosenzweige schreddert und sie auf den Beeten in Umlauf bringt, wird mit Schmerzen beim Jäten nicht unter zwei Monaten bestraft. Und ich kann euch sagen, es ist wirklich so! Wie oft habe ich schon arglos in ein Beet gegriffen, um das Pfennigkraut von einer zarten Pflanze wegzujäten, und dabei nicht mit Gegenwehr gerechnet. Das Pfennigkraut ist auch nicht bewehrt, doch es lagen vor ein paar Wochen geschredderte Rosenzweige als Mulch auf dem Beet. Strafe muss sein.

Aber was soll man tun, wenn man hauptsächlich Rosenäste hat, die wuchernd um sich greifen und geschnitten werden müssen? Mulch bleibt Mulch, auch wenn er bis an die Zähne bewaffnet ist. Ich bin ja auch selbst schuld, weil ich so viele raumgreifende Rosen im Garten verteilt habe.

Und so arbeite ich schon an meinem nächsten großen Gartenirrtum, der hoffentlich glimpflich ausgeht. Ich habe nämlich die fixe Idee, den Bittersüßen Nachtschatten (Solanum dulcamara) im Garten anzusiedeln, weil sowohl Blüten als auch Früchte so hinreißend sind.



Diese heimische Pflanze kann man oft an Gewässerrändern ranken sehen, sie kommt aber auch mit trockenen Standorten klar. Am Gehölzrand wäre sie passend, wo sie in andere Sträucher, zum Beispiel wuchernde Rosen, hineinklettern könnte.

Die Blüten sind lila mit gelber Mitte und typisch Nachtschatten.


 

Danach reifen rote, natürlich giftige Beeren, die zunächst, wie Früchte das nun mal so tun, in Grün starten. Da immer neue Blütenknospen aufgehen, reifen die Früchte nacheinander von Grün nach Rot, was ein herrliches Farbspiel erzeugt.



Als ich einmal ein ähnliches Spektakel mit Zier-Peperoni versucht habe, die auch in allen möglichen Farben abreifen, hat es die Pflanze im kurzen mitteleuropäischen Sommer nicht geschafft, überhaupt Früchte zu produzieren, und seien sie noch so farblos. Das kann mit dem Bittersüßen Nachtschatten nicht passieren, der kommt schließlich von hier.

Ein bisschen Sorgen machen mir ja die Nacktschnecken, aber da hat der Bittersüße Nachtschatten ein Trick gelernt: Wird er angeknabbert, produziert er eine Zuckerlösung, die er direkt aus der Wunde abgibt. Das war vorher nur von Nektarien bekannt, diese Pflanze kann es jedoch auch ohne vorher spezielle Organe für diesen Zweck ausgebildet zu haben. Der süße Saft lockt Ameisen an, die fortan auf den Nachtschatten aufpassen und Fraßfeinde wie Flohkäferlarven und Schnecken abwehren. Vor allem die Flohkäferlarven werden von den Ameisen bekämpft - denn so eine gute Nektarbar muss man sich schließlich warmhalten. Dies haben Wissenschaftler der Freien Universitätguenstiggaertnern Berlin in Zusammenarbeit mit niederländischen Wissenschaftlern der Radboud Universität in Nijmegen entdeckt.

Schwarze Wegameisen (Lasius niger) fressen den Wundnektar des Bittersüßen Nachtschattens (Solanum dulcamara)
Quelle: Tobias Lortzing

 
Rote Wegameisen (Myrmica rubra) sammeln den Wundnektar an einem Blatt des Bittersüßen Nachtschattens (Solanum dulcamara)
Quelle: Tobias Lortzing

Auch Nacktschnecken sollen die Ameisen vertreiben. Das klingt doch wie nach einer Pflanze für meinen Garten! Die Samen soll man direkt im Frühjahr aussäen können oder auch schon ab September. Hoffentlich wuchert der Nachtschatten dann aber nicht zu sehr, wenn ich ihm das Gartentor erstmal geöffnet habe... Sonst bin ich eben auch daran wieder selbst schuld. Das kenne ich ja schon. Immerhin hat Solanum dulcamara keine Stacheln., so bittersüß ist er dann doch nicht.


Die Publikation

Lortzing, T., Calf, O.W., Böhlke, M., Schwachtje, J., Kopka, J., Geuss D., Kosanke, S. van Dam, N.M. and Steppuhn*, A. (2016): „Extrafloral nectar secretion from wounds of Solanum dulcamara“, in: Nature Plants. Doi: 10.1038/NPLANTS.2016.56

9 Kommentare:

  1. Wow, welch eine wunderschöne zierliche Blüte zum lila überhauchten Blatt, liebe Elke ... ich wüsste nicht, dass ich die Pflanze schon mal bewusst wahrgenommen hätte. Da werde ich beim nächsten Ausflug in die Natur auf die hübschen Beeren achten.
    Lieben Gruß und ein feines Wochenende, Marita

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  2. hallo Elke, ich habe kartoffeln und Tomaten als nachtschattengeächse weit auseineander gepflanzt. Kartoffelsaat ist giftig , die von Tomaten aber nicht!. Doch die Früchte des Nachtschattens sind auch giftig und ich las bei dir dazu keinen Hinweis oder habe ich etwas überlesen. Die Früchte sehen aber schon zum Reinbeißen aus wie die Cocktailtomamten. . Liebe Grüße von Frauke

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  3. Hallo Elke,
    es ist immer wieder faszinierend wie die Natur voneinander profitiert. Ich denke diese Pflanze würde auch in meinem Garten sofort die Ameisenfreunde aktivieren, da es bei mir nur so von Nacktschnecken wimmelt. Außerdem sieht sie super aus, Nachtschattengewächse finde ich sowieso klasse.
    LG...Stephanie

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  4. Was für ein interessanter Blogbeitrag! Diese Pflanze hatte ch bislang gar nicht auf dem Schirm. Und das Aussehen ist ja sowohl in der Blüten, wie auch in der Fruchtvariante mega! Ich bin ja echt gespannt, ob es klappt, ihn anzusiedeln. Fährst Du zweigleisg? also einmal im September und einmal im Frühjahr ausäen? Ich drück die Daumen, dass er auch die Schnecken reduziert!
    Liebe Grüße
    Alke

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    1. Ich versuche es mal im September und vielleicht sehe ich dann schon, ob es was wird!
      Viele Grüße
      Elke

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  5. Liebe Elke,
    da habe ich eine Menge neuer Infos bei dir über den Bitter-Süssen gelesen. Ich hatte ihn vor ein paar Tagen bei mir im Blog vorgestellt, bei uns trifft man ihn öfter an. Aber als Gartenpflanze anzusiedeln ist ja ein völlig neuer Gedanke, da hoffe ich, du hast Erfolg. Was die Rache der Rosenzweige anbelangt, kann ich nur zustimmen, beherztes Zugreifen habe ich oft mit einigen Blutstropfen bezahlt.
    Liebe Grüße
    Edith

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  6. oh jaa..
    da muss man gar nicht mulchen..
    kleinere Zweige fallen öfter mal runter und man übersieht sie
    eine hübsche Pflanze ist das
    ich drücke den Daumen dass es klappt ;)

    liebe Grüße
    Rosi

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  7. Den bitterüssen NAchtschatten kenne ich vom Wald, tolle Pflanze!! Der würde sich hier auch gut machen - vor allem wären die vielen Ameisen dann mal wirklich von nutzen (hier hätscheln sie bloss die Blattläuse an den Beerensträuchern...) Im Gegensatz zum Eisenhut, machen mir die schönen roten Beeren aber eher Sorgen, ob ich da neugierige Kinder WIRKLICH vom Naschen abhalten könnte, muss ich mir vor dem Pflanzversuch überlegen....
    Herzlichst
    yase

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