Samstag, 1. März 2025

Jedes Jahr dieselbe Frage

Oft stellt man sich Fragen, da fragt man sich, ob man die einzige ist, der sie in den Sinn kommen: Was ist Bio-Mineralwasser? Wurde das aus artgerecht gehalten Wasserbüffeln mit Auslauf gewonnen? Und: Muss man sich vor der Zahnreinigung die Zähne putzen?

Eine andere, gerade viel diskutierte Frage kommt aber jedes Jahr garantiert wieder: Wann schneidet man die Staudenstängel? Und für wen lässt man sie überhaupt stehen?

Die einen lassen alles bis Mai an Ort und Stelle, weil dann noch Insekten aus den Strünken schlüpfen können. Andere schneiden im Februar oder März alles ab, wenn die Krokusse und Schneeglöckchen sonst in dem Gestrüpp verschwinden würden. Es wird in den sozialen Medien oft behauptet, dass in den Stängeln sowieso nichts überwintert, was Beine hätte oder irgendwann Beine bekommen würde.

Die Wahrheit liegt sicher irgendwo dazwischen und auf jeden Fall gilt: Nichts Genaues weiß man nicht.


Der Aurorafalter oder der Schwalbenschwanz zum Beispiel heften sich als Puppe gern an Stängel. Da sollte man vorher nachschauen. Hat man sowieso keine ihrer Futterpflanzen im Garten gehabt, ist es sicher unwahrscheinlich, dass sie beim Rückschnitt über die Klinge springen.

Wildbienen in den Stängeln sind eher nicht da, denn dafür müssten wir Stängel vom vorletzten Jahr immer noch im Garten haben.

Und je exotischer die Stauden im Beet sind, umso unwahrscheinlicher ist es, dass sich jemand dafür interessiert, aber ganz auszuschließen ist das auch wiederum nicht, denn es gibt Nachtfalter, die sich als Raupe von sehr vielen, auch fremdländischen Pflanzen ernähren. Und dies muss gerade im Falle von Mark-Bewohnern nicht mal erforscht sein, zu versteckt sind sie darin.

Auch ich finde es natürlich gut, wenn ich die Krokusse ungehindert sehen und fotografieren kann. Daher recherchiere ich, welche Stängelbewohner in meinen Stauden theoretisch vorkommen könnten, idealerweise finde ich auch noch heraus, ob sie den Winter darin verbringen.

Beim Gewöhnlichen Wasserdost (Eupatorium cannabinum) gibt es zum Beispiel einige, unter anderem die Kletteneule, deren Raupe im Stängel bohrt. Sie überwintert aber als Ei. Es gibt auch Minierfliegen, wie Melanagromyza eupatorii, die in den Stängeln leben können - und hier wird es noch schwieriger, herauszufinden, wann sie ihn verlassen, es deutet sich aber nach Recherche an, dass sie im Stängel überwintern.

Dann wäre da noch das Federgeistchen Adaina microdactyla, das auch im Mark von Eupatorium cannabinum frisst. Und seine Puppe oder Raupe kann sich tatsächlich noch im April in den letztjährigen Stängeln befinden.

Oder nehmen wir den Dichtpunktierten Walzenhalsbock. Seine Larven fressen in den Stängeln vom Natternkopf, bewegen sich aber anscheinend zur Überwinterung bis hinunter zur Wurzel, sind also ungefährdet bei einem Rückschnitt.


Ich gehe also so vor: Die Stängel vom Wasserdorst schneide ich ab, wenn sich die Blüten der Schneeglöckchen zeigen, aber nicht bis zum Boden, und dann lagere das Schnittgut im Garten.



Auch die Wiesenrauten und das Herzgespann lasse ich als Rest stehen. In den hohlen Thalictrum-Stängeln finden sich dann Asseln und Schillerwanzen ein. Tiere, die hohle Stängel nutzen, welche durch Windbruch oder die Schere entstehen, ruhen hier oder fressen auch mal an dem verrottendem Material, in diesem Fall ist es dann auch kaum ein Unterschied, ob es eine heimische oder exotische Staude ist, der der hohle Stängel gehört.


Das hier ist der Rest vom Blutweiderich. Der stört jetzt zugegebenermaßen bei den Fotos von den Elfen-Krokussen.


Wenn man unsicher ist, lieber die Stängel noch im Garten stapeln oder in eine Ecke stellen. Es ist also alles nicht so einfach mit dem Abräumen, aber auf keinen Fall kann man sagen, dass niemals ein Insekt dort überwintern wird. Irgendeinen Kollateralschaden gibt es immer.