Bekanntlich neige ich in besonderem Maße dazu, Pflanzen dann zu verwechseln, sobald ein ganz kleines bisschen Wunschdenken mit im Spiel ist. Möchte ich ein bestimmtes Gewächs unbedingt im Garten haben, bilde ich mir gerne ein, es irgendwo zu sehen - da habe ich sofort Tomaten auf den Augen.
Oft entpuppen sich die mitgeschleppten Ableger dann doch völlig überraschend als etwas ganz anderes, jedenfalls selten als mein Herzenswunsch. Grandios gescheitert bin ich ja bereits mit dem Fingerhut-Sämling, der sich in meinem Garten spontan in eine Pentaglottis sempervirens verwandelte. Diese ausladende, widerborstige Bienenweide werde ich wohl nicht mehr los, aber das macht nichts, schließlich ist diese immergrüne Staude ausgesprochen exklusiv - das finden die Hummeln auch und lieben sie sehr. Kaufen kann man sie jedenfalls nicht.
Vor einiger Zeit ist mir natürlich wieder so ein denkwürdiger Irrtum unterlaufen: Im botanischen Garten fand ich eine schon gejätete, kleine Pflanze, von der ich annahm, dass es ein Einjähriges Silberblatt (Lunaria annua) sei. Diese vagabundierende Zweijährige habe ich noch nie in meinem Garten ansiedeln können - sie hat wohl auch ihren Stolz und gibt sich eher mit großen Gärten ab.
Ich pflanzte den Sämling in den schattigen Bereich am Efeuzaun und freute mich, als die Pflanze wuchs. Und wuchs. Und immer länger, aber kaum breiter wurde. Schließlich blühte sie auch noch ganz frech in Gelb. Das war so aber nicht abgemacht - sollte das etwa ein farbenblindes Silberblatt sein? Nein, das sah noch nicht mal aus wie ein Kreuzblüter.
In einem Punkt allerdings sollte ich verblüffenderweise Recht behalten: Das Fundstück war eine Zweijährige. Eine Frühlings-Braunwurz (Scrophularia vernalis), um genau zu sein. Blühen tut sie aber eben gelb, und nicht braun.
Nun muss man dazu wissen, dass dieses Gewächs wie die Pentaglottis nicht im Handel zu finden ist, aber ebenfalls eine sehr gute Bienenweide im April und Mai abgibt. Scrophularia vernalis ist nicht einheimisch, sondern stammt aus Südosteuropa. Sie ist seit so vielen Jahrhunderten eingebürgert, dass sie schon das Wegerecht in unseren Gärten besitzt und als altes Kultur-Relikt gilt. Erstmals erwähnt wird sie Mitte des 18. Jahrhunderts.
Noch dazu wächst sie äußerst selten und nur zerstreut. Es gibt ganz wenige Standorte in Deutschland, wo sie sich über Jahrzehnte erfolgreich gehalten hat. Und wo sie nun schon einmal da ist, wird es spannend zu beobachten, ob mein Garten einer dieser Standorte werden könnte!
Nachdem sie geblüht hatte, war sie jedoch erst einmal wieder verschwunden. Zum Glück hat sie sich bereits das erste Mal ausgesät, so dass ich diesen Winter schon einen stattlichen Horst wunderschöner Braunwurz-Pflanzen in der schattigen Ecke bewundern kann.
Es gibt noch einen anderen Grund, sich über diese Rarität zu freuen: Scrophularia vernalis wird gern von einem Clown gefrühstückt: Die Pflanze gehört zu den Futterpflanzen des Braunwurz- sowie Königskerzen-Mönches (Shargacucullia scrophulariae und S. verbasci), die beide sehr ähnliche, sehr dekorative Raupen haben. Diese kleinen Fressmaschinen sind so unglaublich hübsch und lustig bunt, dass man ihnen gern die eine oder andere Königskerze gönnt.
Ich würde ihnen jedenfalls mit Freuden eine meiner seltenen Braunwurze opfern, ich bin ja gar nicht so.
Zunächst einmal freue ich mich aber ganz diebisch auf die Blüte von Scrophularia vernalis im Frühling. Was für ein unverschämtes Glück, dass ich ein weggeworfenes Pflänzchen mit einem Silberblatt verwechselt habe...