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Freitag, 10. Januar 2014

Ehrengast

Bekanntlich neige ich in besonderem Maße dazu, Pflanzen dann zu verwechseln, sobald ein ganz kleines bisschen Wunschdenken mit im Spiel ist. Möchte ich ein bestimmtes Gewächs unbedingt im Garten haben, bilde ich mir gerne ein, es irgendwo zu sehen - da habe ich sofort Tomaten auf den Augen. 

Oft entpuppen sich die mitgeschleppten Ableger dann doch völlig überraschend als etwas ganz anderes, jedenfalls selten als mein Herzenswunsch. Grandios gescheitert bin ich ja bereits mit dem Fingerhut-Sämling, der sich in meinem Garten spontan in eine Pentaglottis sempervirens verwandelte. Diese ausladende, widerborstige Bienenweide werde ich wohl nicht mehr los, aber das macht nichts, schließlich ist diese immergrüne Staude ausgesprochen exklusiv - das finden die Hummeln auch und lieben sie sehr. Kaufen kann man sie jedenfalls nicht.

 
Vor einiger Zeit ist mir natürlich wieder so ein denkwürdiger Irrtum unterlaufen: Im botanischen Garten fand ich eine schon gejätete, kleine Pflanze, von der ich annahm, dass es ein Einjähriges Silberblatt (Lunaria annua) sei. Diese vagabundierende Zweijährige habe ich noch nie in meinem Garten ansiedeln können - sie hat wohl auch ihren Stolz und gibt sich eher mit großen Gärten ab.

Ich pflanzte den Sämling in den schattigen Bereich am Efeuzaun und freute mich, als die Pflanze wuchs. Und wuchs. Und immer länger, aber kaum breiter wurde. Schließlich blühte sie auch noch ganz frech in Gelb. Das war so aber nicht abgemacht - sollte das etwa ein farbenblindes Silberblatt sein? Nein, das sah noch nicht mal aus wie ein Kreuzblüter.

In einem Punkt allerdings sollte ich verblüffenderweise Recht behalten: Das Fundstück war eine Zweijährige. Eine Frühlings-Braunwurz (Scrophularia vernalis), um genau zu sein. Blühen tut sie aber eben gelb, und nicht braun.

Nun muss man dazu wissen, dass dieses Gewächs wie die Pentaglottis nicht im Handel zu finden ist, aber ebenfalls eine sehr gute Bienenweide im April und Mai abgibt. Scrophularia vernalis ist nicht einheimisch, sondern stammt aus Südosteuropa. Sie ist seit so vielen Jahrhunderten eingebürgert, dass sie schon das Wegerecht in unseren Gärten besitzt und als altes Kultur-Relikt gilt. Erstmals erwähnt wird sie Mitte des 18. Jahrhunderts.

Noch dazu wächst sie äußerst selten und nur zerstreut. Es gibt ganz wenige Standorte in Deutschland, wo sie sich über Jahrzehnte erfolgreich gehalten hat. Und wo sie nun schon einmal da ist, wird es spannend zu beobachten, ob mein Garten einer dieser Standorte werden könnte!

Nachdem sie geblüht hatte, war sie jedoch erst einmal wieder verschwunden. Zum Glück hat sie sich bereits das erste Mal ausgesät, so dass ich diesen Winter schon einen stattlichen Horst wunderschöner Braunwurz-Pflanzen in der schattigen Ecke bewundern kann.



Es gibt noch einen anderen Grund, sich über diese Rarität zu freuen: Scrophularia vernalis wird gern von einem Clown gefrühstückt: Die Pflanze gehört zu den Futterpflanzen des Braunwurz- sowie Königskerzen-Mönches (Shargacucullia scrophulariae und S. verbasci), die beide sehr ähnliche, sehr dekorative Raupen haben. Diese kleinen Fressmaschinen sind so unglaublich hübsch und lustig bunt, dass man ihnen gern die eine oder andere Königskerze gönnt.



Ich würde ihnen jedenfalls mit Freuden eine meiner seltenen Braunwurze opfern, ich bin ja gar nicht so.

Zunächst einmal freue ich mich aber ganz diebisch auf die Blüte von Scrophularia vernalis im Frühling. Was für ein unverschämtes Glück, dass ich ein weggeworfenes Pflänzchen mit einem Silberblatt verwechselt habe...

Samstag, 18. Juni 2011

Mein Überraschungsgast

Diese Staude sieht aus, als hätte sie sich nicht entscheiden können, ob sie lieber ein Vergissmeinnicht oder ein Borretsch wäre. Ein eindeutiger Fall von gespaltener Persönlichkeit: Die Blüten sehen aus wie ein Myosotis auf Testosteron, die Blätter sind reibeisenähnlich wie von Borago.


Meiner naiven Meinung nach sollte das sowieso etwas ganz anderes werden, nämlich ein Fingerhut. Für diesen hielt ich den winzigen Sämling nämlich zunächst, als ich ihn gejätet und weggeworfen im botanischen Garten fand.
Ihn vor dem sicheren Tod durch Vertrocknen oder Zertrampeln zu retten, war natürlich Ehrensache. Für einen Fingerhut tu ich fast alles.

Im nächsten Frühjahr bekam ich dann doch erste, ganz leise Zweifel. Die Blätter wuchsen und wuchsen zu einer stattlichen Blattrosette heran, wurden aber immer spitzer und vor allem immer rauher!
Ab sofort schied Fingerhut aus. Die Borretschverwandtschaft war nicht mehr zu leugnen, allerdings ist der bekanntermaßen nicht über den Winter zu bringen, während diese Pflanze hier ganz frech mit immergrünen Blättern angab.

Dann erschienen die ersten Blüten und ich hatte endlich einen Anhaltspunkt, die Identität dieser Staude zu lüften. Ich betrieb also Ahnenforschung im Internet (was haben wir früher bloß ohne gemacht?) und konnte den Namen von Mr. X am Ende doch noch herausfinden:
Mein Überraschungsei war eine Pentaglottis sempervirens, eine Immergrüne Ochsenzunge.
Auf Englisch heißt sie Green Alkanet, was auf ihre frühere Bedeutung als Färberpflanze hindeutet - hennafarben soll das werden.

Heute findet man Pentaglottis nicht mehr in Gärten, höchstens aus Versehen, wenn sie irgendwo keck aus einer Hecke spitzt. Seit ich ihren Namen kenne, sehe ich sie plötzlich sowieso überall. Sie verfolgt mich regelrecht.
Aber nie darf sie einen Platz in der Staudenrabatte bekleiden - nur der botanische Garten hat sie mit voller Absicht ausgestellt.

Dabei ist sie durchaus wertvoll. Sie bringt Farbe in schattige Gartenbereiche und blüht gute zwei Monate durch. Die Hummeln und Bienen lieben sie.

Mittagssonne ist ihr verhasst, sie quittiert so eine Frechheit mit wehleidig welken Blättern. Das kann man aber ruhig erstmal ignorieren. Sieht sie am Abend im Schatten immer noch nicht besser aus, kann man sie gießen, aber meistens beruhigt sie sich von allein wieder.

Als Beetschwestern kann ich Akelei und Geranium phaeum empfehlen, sowie die bezaubernde Baptisia australis - Färberpflanzen unter sich:


Baptisia ist eigentlich ein Sonnenfreund. Da kann man mal sehen, wie tolerant Pentaglottis in ihrer Standortwahl doch ist - hier haben sich beide auf Halbschatten geeinigt.

Mit Akelei und Braunem Storchschnabel:






Die Samenstände ähneln sehr dem Borretsch:


Pentaglottis sät sich bereitwillig selbst aus. Das hat sie vom Vergissmeinnicht.
Was sie wiederum vom Borretsch hat, ist das fettreiche weiße Samenanhängsel, das Elaiosom, das Ameisen gnädig stimmen und zum Verschleppen der Samen animieren soll:


Scheint zu helfen. In meinem Garten finde ich immer neue Sämlinge.

Die Samen dort oben habe ich für euch gesammelt. Dabei lief mir eine riesige Zecke auf die Hand (was ich nicht alles für euch tue). Was nicht heißen soll, dass Pentaglottis ein stadtbekannter Zeckenmagnet ist. Sie wächst nur dummerweise am Rötelmausbunker.

Wer also diese mit großer Wahrscheinlichkeit nicht im Handel befindliche Wildstaude für schattige Bereiche in seinem Garten ziehen möchte, der schreibe mir das als Kommentar und bekommt die Samen zugeschickt.
Sollte wider Erwarten mehr als eine Beifallsbekundung eingehen, entscheidet das Los.
Bei ganz großen Sympathieäußerungen für Pentaglottis wäre ich auch noch einmal bereit, mich zwischen die Zecken zu werfen.

Also, wer will noch mal, wer hat noch nicht?

Samstag, 15. Mai 2010

Himmelblau

Eine Farbe, mit der der Himmel sich gerade ein bisschen geizig zeigt.
Für solche trüben Tage sind die Rauhblattgewächse (Boraginaceae) wie geschaffen, die Stimmung aufzuhellen.
Viele zeigen himmelblaue Blüten, allen voran das allgegenwärtige zweijährige Vergissmeinnicht:



Hat man erstmal eine einzige Pflanze im Garten, sät sie sich bereitwillig aus und wird zum Bodendecker auf Zeit. Nach der Blüte kann man es rausreißen, es hat dann schon selbst für Nachwuchs gesorgt. Man glaubt gar nicht, an welchen möglichen und unmöglichen Stellen die Sämlinge überall auftauchen können. Da die Samenkapseln sehr anhänglich sind und ein bisschen kletten können, hilft auch der Gärtner nach, wenn er die Samen an seiner Kleidung herumschleppt und irgendwo abschüttelt. Natürlich kann man sich auch so zu einem himmelblauen Maigarten verhelfen, indem man die verblühten Pflanzen über allen Beeten ausschüttelt.

Ausdauernder ist das Kaukasus-Vergissmeinnicht - eine Staude für den Gehölzrand, die sich ebenfalls selbst verbreitet. Meine sind Geschenke des Nachbargartens, von wo sie freiwillig eingewandert sind. Einige Sämlinge habe ich an der Gartengrenze eingesammelt und in mein "Waldbeet" unterm Zierapfel gesetzt, wo sie wunderschön zum weißen Tränenden Herz passen.
Mittlerweile gibt es schöne Züchtungen, wie "Jack Frost" mit seinen silbrigen Blättern:


Ein Rauhblatt, das man selten in Gärten sieht, hat ebenfalls gerade seine Blütensterne geöffnet: Die Immergrüne Ochsenzunge (Pentaglottis sempervirens). Wie ein Kunstwesen aus Borretsch und Vergissmeinnicht sieht es aus - an den Borretsch erinnert die borstige  Kratzbürstigkeit, an das Vergissmeinnicht seine überdimensionalen Blüten.
Hier ist gerade eine von meinen Mauerbienen im Anflug (ja, gestern gab es tatsächlich ein paar Stunden Sonne!):


Dieses Rauhblatt ist ein echtes Rauhbein: Ausdauernd, wintergrün und sich selbst verbreitend.

Seine Blüten soll man essen können, ähnlich wie die des Borretsch, aber ausprobiert habe ich es noch nicht.